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Kurze Geschichte der jüdischen Gemeinden in Würzburg

 

 

Vor etwa 900 Jahren ließen sich zum ersten Mal Juden in Würzburg nieder. Sie waren aus Mainz und anderen Städten am Mittelrhein wegen der Pogrome des 1. Kreuzzugs von 1096 geflohen. Sie wählten die Bischofsstadt am Main zum neuen Wohnsitz, die zu dieser Zeit gerade einen ersten Aufschwung als Handelsort nahm. Obwohl auch hier im Zuge des 2. Kreuzzugs 1147 mindestens 22 Personen ermordet wurden, zeigte sich doch während dieser Verfolgung, dass der Bischof als Schutzherr die Juden unterstützte. Bereits zu diesem Zeitpunkt gehörten einige bedeutende Gelehrte zur Gemeinde.

In den Jahrzehnten im mittleren 12. Jahrhundert konsolidierte sich die Gemeinde, deren Synagoge auf dem heutigen Marktplatz 1170 zum ersten Mal erwähnt wird; ihr Friedhof entstand an der Stelle des heutigen Juliusspitals kurz nach dem Pogrom von 1147. Das Wohngebiet der Juden lag in der Nähe der Synagoge, bestand jedoch nicht aus einem abgeschlossenen Viertel. Hier erwarben die Juden in den folgenden Jahrzehnten eine ganze

Anzahl von Häusern.

Im 13. Jahrhundert gelangte die Gemeinde, die inzwischen über die volle Infrastruktur verfügte, wie sie für große mittelalterliche Gemeinden

kennzeichnend ist, zu großer Blüte. Gelehrte von Rang, die mit anderen Gelehrten in Aschkenas in regem Austausch standen, lebten hier und unterrichteten Schüler, die selber wieder an ihren späteren Wirkungsorten

Berühmtheit erlangten. Zu diesen gehörte z.B.

Rabbi Meir von Rothenburg. Welchen hohen Rang das Talmud-Studium in Würzburg genoss, erhellt unter anderem aus den Inschriften des mittelalterlichen Friedhofs.

Seit etwa 1270 zogen schwierigere Zeiten für die jüdische Gemeinde auf, als Bischof und Stadt begannen, über das Judenschutzrecht zu streiten. Eine vernichtende Katastrophe, von der die Gemeinde sich bis ins 19. Jahrhundert nicht mehr erholen sollte, traf sie dann mit den 1298 einsetzenden Pogromwellen: In diesem Jahr wurde die Judenschaft komplett vernichtet, mehr als 800 Menschen kamen zu Tode. Eine neue Gemeinde entstand an

gleicher Stelle erst etwa 10 Jahre später, sie gelangte erneut zu wirtschaftlicher Bedeutung.

1337, als die nächste Pogromwelle anrollte, gelang es dem Stadtrat weitgehend, Gewalttaten zu verhindern. Wenig später, im Zuge der Pestverfolgungen 1349 wurde dann jedoch die Gemeinde komplett vernichtet, ihr Besitz eingezogen, die Synagoge abgerissen und an ihrer Stelle die Marienkapelle errichtet.

 

Für etwa fünf Jahrzehnte ließen sich hiernach kaum mehr Juden verlocken, nach Würzburg zu ziehen. Erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts sollte sich dies wieder ändern. Doch es entwickelte sich nun, abhängig von der Politik der Bischöfe, ein  ständiges Auf und Ab zwischen Aufnahme und Ausweisung. Von einem Gemeindeleben konnte nur selten die Rede sein. Das 16. Jahrhundert sah eher eine Steigerung dieser Politik, bis hin zu Bischof Julius Echter von Mespelbrunn, der auch die Portestanten aus der Stadt vertrieb: Er enteignete den jüdischen Friedhof und errichtete dort gegen die Proteste der Judenschaft im ganzen Land sein Juliusspital. Unter seinem Nachfolger wurden die Juden dann endgültig und dauerhaft 1642 aus der Stadt verbannt.

Angesichts dieser Unsicherheit verlagerte sich das jüdische Leben schon seit dem 15. Jahrhundert allmählich aufs Land und ganz besonders in das ländliche Umfeld der größeren Städte. Es dauerte jedoch noch bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, bis sich hier Gemeinden wirklich konsolidieren und eine neue Infrastruktur aufbauen konnten. Es entstand das für Süddeutschland und besonders für Franken typische Landjudentum. In Würzburg hingegen dauerte es bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, bis einzelne Juden wieder zuziehen durften. Es waren vor allem wohlhabende Familien wie die Familie Hirsch aus Gaukönigshofen, denen dieses Vorrecht vom Staat aus wirtschaftlichen Gründen 1803 eingeräumt wurde. Die jüdische Gemeinschaft, die sich in privaten Beträumen zum Gottesdienst traf, wuchs nur langsam, weil sich noch immer trotz gewisser rechtlicher Verbesserungen (im Bereich Gewerbeausübung, Ausbildung und Berufswahl) Juden nicht am Ort ihrer Wahl ansiedeln durften. 1816 wurde ihnen vorgeschrieben, sich feste Familiennamen zuzulegen. Der Zuzug der Juden und vor allem ihre weitgehende wirtschaftliche Gleichstellung alarmierte die christliche Konkurrenz, Händler und Handwerker, und veranlasste sie zu Gewalttätigkeiten gegen die Juden. Diese so genannten „Hep-Hep-Unruhen“ verbreiteten sich 1819 von Würzburg aus über ganz Deutschland und flackerten auch in den Folgejahren immer wieder auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Dies bot seinen Studenten, die sich als angehende Rabbiner mit der Erwartung eines wissenschaftlichen Studiums konfrontiert sahen, die Möglichkeit, parallel zum Besuch der Jeschiwa Kurse an der Universität zu belegen. Würzburg wurde dadurch zu einem der wichtigsten Standorte der Ausbildung künftiger orthodoxer Rabbiner. Namentlich Nathan Marcus Adler, Seligmann Bär Bamberger, Isaak Bernays und Jakob Ettlinger zählten zu den bekannten Studenten von Abraham Bing. Erst auf Druck des Staates, dem die Versammlungen in den privaten Beträumen verdächtig waren, schloss sich die jüdische Gemeinschaft zu einer Gemeinde zusammen und ging vor allem an den Bau einer Synagoge in der Domerschulstrasse 21. Hier entstand seit 1836 auf einem Hofgrundstück ein Gebäude im ägyptischen Stil – weil es der König so entschieden hatte. Sie wurde 1841 eingeweiht – kurz nach dem Tod von Oberrabbiner Abraham Bing. Bei der Wahl von dessen Nachfolger hatten sich 1840 die orthodoxen Landgemeinden gegen die Liberalen in Würzburg durchgesetzt und Seligmann Bär Bamberger aus Wiesenbronn zum neuen Rabbiner gewählt. Er sollte in den folgenden knapp vier Jahrzehnten die Ausrichtung des Judentums in Unterfranken stark prägen, indem er einerseits auf der Einhaltung der Halacha bestand, sich andererseits aber in Fragen, die dem Gesetz nicht zuwider liefen, auch kompromissbereit zeigte.

Hierzu gehörte die Einsicht, dass ein Fortbestehen des traditionsbewussten Judentums nur möglich sein würde, wenn es über entsprechende Bildungsinstitutionen auch an die junge Generation weiter vermittelt würde. So gründete Seligmann Bär Bamberger 1856 eine private „israelitische Erziehungs- und Unterrichtsanstalt“ als sechsklassige Volksschule, die im Hinterhaus im Hof der Synagoge eingerichtet wurde. Um dem Mangel an solide ausgebildeten Religionslehrern abzuhelfen, wurde wenige Jahre später, 1864 die ebenfalls privat finanzierte Israelitische Lehrerbildungsanstalt (ILBA) eröffnet. Ihre Schüler stammten überwiegend aus den armen unterfränkischen Landgemeinden. Die Schule wurde zu einem großen Erfolg und begründete den Ruf Bambergers als „Würzburger Rav“. Weitere Institutionen ergänzten die Ausstattung der seit 1861, seit der Aufhebung der Wohnortbeschränkung stark wachsenden Gemeinde: So wird 1885 das Krankenhaus und sechs Jahre später dazu ein Altenheim („Pfründnerhaus“) eröffnet, 1926 das „Landesheim für Sieche“, das 1931 einen Neubau im Garten des Kranken- und Pfründnerhauses bekam. Neben den Gottesdiensten in der Hauptsynagoge an der Domerschulstrasse fanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Versammlungen zum gemeinsamen Gebet in fünf weiteren, kleineren Synagogenräumen statt.Der Einsatz jüdischer Soldaten im 1. Weltkrieg, der wirtschaftliche Erfolg und die gesellschaftliche Integration erreichten in den 1920er Jahren einen Höhepunkt, während zugleich bereits die antisemitische Agitation der Nationalsozialisten einen Vorgeschmack auf die kommenden Zeiten bot. Erste Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte fanden nach der Machtergreifung bereits im März 1933 statt, der Boykott am 1. April wurde mit aller Härte umgesetzt. Schnell griffen auch in Würzburg die Gesetze des NS-Staates, die Juden aus dem öffentlichen Dienst entfernten sowie ihnen die Ausbildung an Universitäten und Schulen bald unmöglich machten. Seit 1935 wurden jüdische Geschäfte und Firmen „arisiert“.

Der 9./10. November 1938 zeigte dann unmissverständlich, dass die NSDAP es ernst meinte mit der Verfolgung der Menschen und der Zerstörung ihres Besitzes. Die Würzburger Synagoge wurde verwüstet, die in Heidingsfeld niedergebrannt, zahllose Wohnungen und Geschäfte demoliert, knapp 300 Männer erst verhaftet und anschließend ins KZ nach Buchenwald oder Dachau verschleppt. Mindestens vier Menschen starben. Jeder bemühte sich jetzt um eine Emigration, während die Lebensmöglichkeiten immer stärker eingeschränkt wurden. Viele mussten ihre Wohnungen oder Häuser verlassen und in kleinere Wohnungen umziehen, über Zwischenstufen landeten dann die meisten in den überfüllten Sammelunterkünften in der Dürerstr. 20, in der Konradstr. 3 und in der Bibrastr. 6. Einige wenige kamen im Gebäude auf dem jüdischen Friedhof unter – fast eine „Oase“ im Grünen. In der Bibrastr. wurde auch der Betrieb der Volksschule noch bis 1942 aufrechterhalten.

 

Am 27. November 1941 wurde eine erste Gruppe jüdischer Bürger Würzburgs mit 202 Personen nach Riga deportiert. Es folgten vier weitere Transporte aus Unterfranken im Jahr 1942: im Frühjahr zwei nach Polen in den Raum Lublin, die niemand überlebte, und im September zwei nach Theresienstadt, schließlich im Juni 1943 ein letzter nach Auschwitz und Theresienstadt. Insgesamt 921 Personen wurden damit direkt aus Würzburg deportiert, nur knapp 50 von ihnen überlebten. Weitere aus Würzburg stammende Juden haben die Nationalsozialisten von anderen deutschen Städten oder aus Holland, Belgien oder Frankreich in die Vernichtungslager transportiert.Von den wenigen, die Riga, Theresienstadt und vereinzelt andere KZ’s überlebten, kamen seit Juli 1945 einige nach Würzburg zurück. Als sich im November des Jahres die Gemeinde wieder gründete, bestand sie aus 23 ehemaligen Würzburgern und 36 Personen aus anderen Orten Unterfrankens oder aus Osteuropa. Sie fanden in der weitgehend zerstörten Stadt im Gebäude auf dem Friedhof, in der ehemaligen Villa Mandelbaum und im Gebäude des ehemaligen Landesheims eine Bleibe. Noch im November 1945 errichteten sie auf dem Friedhof ein Mahnmal zum Gedenken an alle, die in den Lagern in Lettland, Polen und in Theresienstadt ermordet worden waren.

1946/47 wanderten einige der Überlebenden in die USA aus, dafür kehrten in den 1950er Jahren andere wie z.B. die Familie Schuster nach Deutschland zurück. Nachdem in den ersten Jahren nach der Shoa David Rosenbaum die Gemeinde und das Altersheim geleitet hatte, prägte von 1958 bis 1996 David Schuster die weitere Entwicklung. Er machte sich um den Neubau der Synagoge (1970 eingeweiht) verdient und hat Enormes geleistet für die Verständigung zwischen den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und den übrigen Bürgern der Stadt. Dass er und die anderen Vorsteher der Gemeinde aus Unterfranken stammten, hat es der Gemeinde im Unterschied zu den meisten anderen Gemeinden in Deutschland ermöglicht, sich in bewusster Kontinuität an den Traditionen der Zeit vor 1933 zu orientieren.

So sieht sich auch die heutige Gemeinde in der von Seligmann Bär Bamberger bestimmten Tradition einer weltoffenen Orthodoxie. Die Gemeinde blieb seit 1945 klein und war stark überaltert. Durch den Zuzug aus der ehemaligen Sowjetunion seit 1992 wuchs sie auf etwa 1.200 Mitglieder an; die Räumlichkeiten im Gemeindezentrum reichten nicht mehr aus. Mit breiter Unterstützung aus Politik und Bevölkerung gelang ihr der Neubau des Zentrums Shalom Europa, das im Jahr 2006 eingeweiht werden konnte.

 

 

Quelle:

Remembrance and Encounter. Biographical Traces of Würzburg Jewry on the Occasion of the Visit of Former Jewish Citizens in Würzburg, 16 to 23 April 2012, ed. by the Johanna Stahl Center for Jewish History and Culture in Lower Franconia and the Stolperstein Initiative Würzburg, Würzburg 2012, S. 7- 13, dt. Originalfassung.

 

Literatur:

Hans-Peter Baum/Reiner Leng/Robert Meier, Kehillot Keddoschot (Heilige Gemeinden). Die Geschichte der unterfränkischen Juden im Spiegel der neuen Ausstellung des jüdischen Dokumentationszentrums, Würzburg 2007.

Roland Flade, Die Würzburger Juden. Ihre Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 2., erw. Auflage, Würzburg 1996. Albrecht Liess (Hg.), Wege in die Vernichtung. Die Deportation der Juden aus Mainfranken 1941- 1943. Begleitband zur Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg und des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, München 2003.

Jüdisches Viertel im Stadtzentrum im Mittelalter, aus: Baum u.a., Kehillot Keddoschot, S. 12.

Jahr

Anzahl der Juden

1814/15

1820er c

1852

1871

1900

1933

138

ca. 200

496

1.518

2.567

2.145

Gruppe aus dem jüdischen Kindergarten mit den beiden Vorsteherinnen Bella Kohn und Erna Gundersheimer, Würzburg 1931, Ruth Koplowitz/ Sammlung Dr. Roland Flade, aus: Flade Würzburger Juden, S. 156.

Opfer der dritten Deportation auf ihrem Weg zur Bahnstation Aumühle Würzburg, 1942, aus:

Liess, Wege in die Vernichtung, S. 129.

Schnell entwickelte sich Würzburg zum neuen Zentrum des unterfränkischen Judentums, denn schon 1814 zog der bislang in Heidingsfeld residierende Oberrabbiner Abraham Bing nach Würzburg. Dies bot seinen Studenten, die sich als angehende Rabbiner mit der Erwartung eines wissenschaftlichen Studiums konfrontiert sahen, die Möglichkeit, parallel zum Besuch der Jeschiwa Kurse an der Universität zu belegen. Würzburg wurde dadurch zu einem der wichtigsten Standorte der Ausbildung künftiger orthodoxer Rabbiner. Namentlich Nathan Marcus Adler, Seligmann Bär Bamberger, Isaak Bernays und Jakob Ettlinger zählten zu den bekannten Studenten von Abraham Bing. Erst auf Druck des Staates, dem die Versammlungen in den privaten Beträumen verdächtig waren, schloss sich die jüdische Gemeinschaft zu einer Gemeinde zusammen und ging vor allem an den Bau einer Synagoge in der Domerschulstrasse 21. Hier entstand seit 1836 auf einem Hofgrundstück ein Gebäude im ägyptischen Stil – weil es der König so entschieden hatte. Sie wurde 1841 eingeweiht – kurz nach dem Tod von Oberrabbiner Abraham Bing. Bei der Wahl von dessen Nachfolger hatten sich 1840 die orthodoxen Landgemeinden gegen die Liberalen in Würzburg durchgesetzt und Seligmann Bär Bamberger aus Wiesenbronn zum neuen Rabbiner gewählt. Er sollte in den folgenden knapp vier Jahrzehnten die Ausrichtung des Judentums in Unterfranken stark prägen, indem er einerseits auf der Einhaltung der Halacha bestand, sich andererseits aber in Fragen, die dem Gesetz nicht zuwider liefen, auch kompromissbereit zeigte.Schnell entwickelte sich Würzburg zum neuen Zentrum des unterfränkischen Judentums, denn schon 1814 zog der bislangn Heidingsfeld residierende Oberrabbiner Abraham Bing nach Würzburg.

Bevölkerungszahl Würzburger Juden 1814-1933

Rotraud Ries

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