geschichte
1096 - Judenverfolgungen im Rheinland, Zuwanderer aus Mainz
1147 - Febr. 24 Erste Erwähnung der jüdischen Gemeinde im Zusammenhang mit einem Pogrom.
1147-1298 Blütezeit der jüdischen Gemeinde Würzburg. Zuzug von Juden aus ganz Süddeutschland, Frankreich und England.
1235/36 - Alle Juden im Reich werden als “Kammerknechte” des Königs bestätigt.
1247 - Verpfändung des Würzburger Judenschutzes und der daraus fließenden Einnahmen durch den König an das Hochstift Würzburg.
1298 - Das „Rintfleischpogrom“, die größte und blutigste Judenverfolgung des Mittelalters, verbreitet sich über große Teile Süddeutschlands. In Würzburg werden 841 einheimische Juden und etwa 100, die sich vom Land hierher geflüchtet haben, von den Horden des Rindfleisch im Zusammenspiel mit Bürgern umgebracht.
1336/37 - Während des nach dem Ritter Arnold von Uissigheim d.J. benannten „Armleder“-Pogroms wird die jüdische Gemeinde in Kitzingen vernichtet. Die Würzburger Bürger ziehen schließlich gegen Armleder, der gefangen und als Landfriedensbrecher hingerichtet wird. Als die Unruhen erneut aufflackern, bedroht die Stadt Würzburg jeden, der sich gegen die Juden vergeht, mit immerwährender Ausweisung.
1349 - Nahezu volle Ausrottung der in Würzburg ansässigen Juden nach einer Frostkatastrophe in den Weingärten und im Zuge einer latenten, durch Gerüchte über Brunnenvergiftungen an anderen Orten geschürten Judenfeindschaft.
1403 - Freibrief des Bischofs Johann von Egloffstein für die Juden, die sich im Hochstift niederlassen.
1422 - Vertrag der wichtigsten Landesfürsten zur „Schatzung“ der in ihren Territorien ansässigen Juden.
1429 - Bischof Johann von Brunn verpfändet den jüdischen Friedhof in Würzburg an einen Würzburger Metzger.
1430 - Die letzten Häuser des alten Würzburger Judenviertels am Markt werden abgebrochen.
1445/46 - Freibrief des Bischofs Gottfried Schenk von Limpurg für die Juden im Hochstift. Wiedererleihung des jüdischen Friedhofs an die jüdische Gemeinde gegen eine hohe jährliche Gebühr.
1554 - Vertreibung der Juden aus der Reichsstadt Schweinfurt. Wiederansiedlung in größerer Zahl erst wieder seit 1861.
1560 - Bischof Friedrich von Wirsberg weist alle Juden aus Würzburg und anderen Städten des Hochstifts aus.
1575/76 - Bischof Julius Echter von Mespelbrunn weist die Juden aus dem Hochstift aus. Er konfisziert den jüdischen Friedhof in der Pleich und errichtet auf dem Grundstück das Juliusspital. Erst gegen Ende seiner Regierung läßt er wieder einzelne Juden in Würzburg zu.
1642 - Endgültige Vertreibung der Juden aus der Stadt Würzburg (für die nächsten 160 Jahre durch Bischof Philipp von Schönborn.
1803 - Moses Hirsch und seine erwachsenen Söhne erhalten als erste Juden seit 1643 das Recht, sich in Würzburg niederzulassen.
1816/18 - Teilverbesserungen für bayerische Juden hinsichtlich Berufswahl, Gewerbeausübung und Ausbildung. Volle Rechte als Gemeinde-, noch nicht aber als Staatsbürger. Der Würzburger Bankier Jakob Hirsch wird als erster bayerischer Jude in den Adelsstand erhoben, ohne zum Christentum überzutreten.
1836 - Auf Drängen der bayerischen Regierung Bildung einer neuen jüdischen Gemeinde.
1841 - Einweihung der neuen Würzburger Synagoge als erste einer großen Zahl solcher Neubauten in den unterfränkischen Städten.
1848/50 - Das Ausbleiben weiterer Fortschritte bei der rechtlichen und sozialen Gleichstellung der bayerischen Juden läßt auch in Unterfranken die Zahl jüdischer Auswanderer in die USA anschwellen.
1861 - Mit der Aufhebung des bayerischen Matrikelparagraphen, der die Zahl und Freizügigkeit von Juden bis dahin noch begrenzt hatte, kommt es zu einer massiven Landflucht. Die Würzburger Judengemeinde wächst rasch.
1864 - Gründung der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt (ILBA).
1868/71 - Gesetzliche und Verfassungsregelungen bringen den Juden in Bayern – bis auf noch bis 1881 erhobene „Sonderabgaben“ – die rechtliche Gleichstellung.
Ca. 1880 - Mit etwa 4,5 % erreichte die jüdische Gemeinde ihren höchsten Anteil an der Würzburger Stadtbevölkerung. In absoluten Zahlen – bis zur Jahrhundertwende 2567 – wächst sie weiter, doch ihr relativer Anteil nimmt ab.
1882 - Einweihung des neuen Friedhofs der jüdischen Gemeinde Würzburgs in der heutigen Werner-von-Siemens-Straße.
1885 - Einrichtung eines jüdischen Krankenhauses in Würzburg.
1891 - Einrichtung eines jüdischen Altenheims in Würzburg.
1914/18 - Zahlreiche jüdische Kriegsfreiwillige melden sich zu den Waffen. Unter den ca. 400 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde, die im 1. Weltkrieg als Soldaten im Felde standen, fielen 40 oder starben später an ihren Verwundungen.
1918/19 - Der Würzburger Felix Fechenbach, der später, im August 1933, „auf der Flucht“ erschossen wird, hat maßgebenden Anteil an der Ausrufung der Republik in Bayern. In Würzburg verläuft der Umsturz dank des jüdischen SPD-Manns Felix Freudenberger unblutig. An der Niederschlagung der Räterepublik in Würzburg sind auch zahlreiche Mitglieder der jüdischen Gemeinde beteiligt.
1920 - Wahl des weltoffenen Orthodoxen Dr. Siegmund Hanover aus Hamburg zum Würzburger Rabbiner.
1924-1928 - Die politisch und gesellschaftlich normalsten Jahre der Weimarer Republik bescheren auch den Würzburger Juden eine weitgehende Integration in die deutsche Gesellschaft. Die jüdische Bevölkerung überaltert zusehends, Todesfälle übersteigen die Zahl der Geburten. Herausragende Stellung von Juden im Weinhandel, in der Industrie im Bereich von Nahrung und Genußmitteln, der Leder- und Textilverarbeitung. Überproportionaler Anteil von Juden an akademischen Berufen, beispielsweise bei niedergelassenen Ärzten und Rechtsanwälten.
1931 - Im sogenannten „Habima“-Prozeß über die tätlichen Angriffe von NSDAP-Schlägern auf Besucher einer Aufführung der hebräischsprachigen Bühne „Habima“ werden wegen „nicht unehrenhafter Motive“ milde Strafen verhängt. Im gleichen Jahr werden der Neubau der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in der Sandbergstraße und das neue Altenheim in der heutigen Valentin-Becker-Straße eingeweiht.
1935 - Arisierung jüdischer Firmen, in Würzburg und Unterfranken, darunter die Übernahme des Kaufhauses Ruschkewitz durch Josef Neckermann.
1936 - Einrichtung einer dreiklassigen Berufsschule im alten ILBA-Bau.
1937/38 - Vereinigung der traditionsreichen jüdischen Gemeinden Heidingsfeld und Höchberg mit Würzburg.
1938, 9/10.Nov. Verwüstung der Inneneinrichtung der Würzburger Synagoge und Vernichtung der Heidingsfelder Synagoge durch Brandstiftung. Schwere Mißhandlungen, teilweise mit Todesfolge an jüdischen Menschen. Erste Einlieferungen von jüdischen Männern in Konzentrationslager. Boykott gegen jüdische Geschäfte, Einrichtungen und Bürger.
1939 - Rabbiner Hanover verläßt Würzburg. Sein Nachfolger bis zu seiner Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt wird der seit 1936 in Würzburg im Ruhestand lebende Magnus Weinberg.
1941 - Zwang zum Tragen des Judensterns. Erste Deportation von 202 Juden aus Würzburg nach Riga. In sieben Deportationen zwischen November 1941 und Juni 1943 in verschiedene Vernichtungslager in Osteuropa werden aus Unterfranken 2063 Juden verschleppt.
1943 - Juni Die Geheime Staatspolizei erklärt Unterfranken als „judenrein“.
1945 - 21 - Mitglieder der Vorkriegsgemeinde kehren von Theresienstadt nach Würzburg zurück Der von November 1945 an sich bildenden neuen jüdischen Gemeinde gehören 59 Menschen an. Am 11. November wird auf dem jüdischen Friedhof ein Denkmal für die in den Konzentrationslagern Ermordeten eingeweiht.
1949 - Nach den seit 1946 laufenden Spruchkammerverfahren zur „Entnazifizierung“ kommt es auch vor dem Würzburger Landgericht zu mehreren großen NS-Prozessen, darunter gegen 18 Gestapobeamte. Nach erstinstanzlichen Gefängnisstrafen werden sie 1950 freigesprochen. Viele andere Täter, so auch der 1947 ursprünglich zum Tode verurteilte Gauleiter Dr. Hellmuth und der NS-Oberbürgermeister Theo Memmel, kommen mit verhältnismäßig milden Strafen davon.
1952/53 - Nach Verhandlungen mit der israelischen Regierung und den Vertretern jüdischer Weltverbände werden das erste „Wiedergutmachungsgesetz“ und in der Folge weitere, die Entschädigung von Privatpersonen regelnde Gesetzte verabschiedet. Die in der amerikanischen Besatzungszone entstandene Jewish Restitution Successor Organization (IRSO) wird mit der Ermittlung jüdischen Besitzes und der Verteilung dieses Besitzes an Überlebende betraut. Ein höchstrichterliches Urteil in den Vereinigten Staaten von Amerika erklärt die IRSO zum Erben des gesamten jüdischen Besitzes in der US-Zone. Die jüdische Gemeinde verliert damit den Grundbesitz der Vorkriegsgemeinde. Lediglich das ihr nach langen Verhandlungen in den sechziger Jahren von der IRSO überlassene Landesheim in der Valentin-Becker-Straße, der heutigen Adresse der Jüdischen Gemeinde in Würzburg und Unterfranken, bleibt übrig.
1962 - Gründung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Unterfranken.
1964 - Die Israelitische Gemeinde beschließt den Neubau einer Synagoge. Die Stadt Würzburg übernimmt die Bauträgerschaft und wird Hauptgeldgeber. Der Bezirk Unterfranken beteiligt sich ebenfalls.
1966, - 9. Nov. Baubeginn an der neuen Synagoge in der Valentin-Becker-Straße. Eingeweiht wird der Neubau am 24. März 1970.
1977, März - März Treffen von Vertretern aller jüdischer Gemeinden der Bundesrepublik in der Würzburger Gemeinde. Die deutsche Rabbinerkonferenz tagt ebenfalls in den siebziger Jahren in Würzburg.
1987, Jan. - Beim Abriß der „Landelektra“ im Stadtteil Pleich werden 1485 Grabsteine und Grabsteinfragmente vom mittelalterlichen jüdischen Friedhof gefunden. Es ist der weltweit größte Fund seiner Art.
1987, März - Einrichtung des Dokumentationszentrums für jüdische Geschichte und Kultur in der Valentin-Becker-Straße. Träger sind die Stadt Würzburg und der Bezirk Unterfranken.
1991 - Beginn der Zuwanderung sogenannter Kontigentflüchtlinge, Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, auch nach Würzburg. Die Israelitische Gemeinde Würzburg wächst seitdem von etwa 180 Mitgliedern auf inzwischen mehr als 1000 Mitglieder.
2001 - Baubeginn des seit mehreren Jahren unter dem Namen Shalom Europa geplanten Neuen Jüdischen Kultur- und Gemeindezentrums.
2003 - Bezug der im Rahmen des ersten Bauabschnitts fertiggestellten Räume des Neuen Jüdischen Kultur- und Gemeindezentrums.
2006 - 23. Okt. Offizielle Einweihung des neuen Jüdischen Kultur- und Gemeindezentrums
Ein genaues Datum für die Gründung der ersten jüdischen Gemeinde in Würzburg äßt sich nicht feststellen. Die Gründung fällt wahrscheinlich in die Zeit des ErstenKreuzzugs, in deren Folge es zu Zuwanderungen von Juden aus Mainz kam Seit ihren ersten Anfängen um die Wende zum 12. Jahrhundert war die Jüdische Gemeinde Würzburgs eine Gemeinde mit europäischen Kontakten und Verflechtungen. Im Jahr 1987 im Würzburger Stadtteil Pleich entdeckte Grabsteine lassen erkennen, dass die Stadt bereits für die Jahre zwischen 1147 und 1349 Zentrum jüdischer Religion, Kultur und Bildung von europäischem Zuschnitt war. Würzburger Talmudgelehrte und Rabbiner sind in dieser Periode mit den wichtigsten Gemeinden in Deutschland und Frankreich verbunden. Es siedelten sich damals Juden aus Städten wie Paris, Montpellier und Wien an. Unter den international renommierten Rabbinern, die sich längere Zeit in Würzburg aufhielten oder hier ihre Ausbildung suchten, waren etwa Eliëser ben Natan, sein Schwiegersohn Joel ben Jizchaq hal-Levi, dessen Sohn Elieser ben Joel hal-Levi, Jizchaq Or-Sarua, Meïr ben Baruch von Rothenburg und El’asar ben Mosche had-Darschan.
Im christlichen Dietrichspital wirkte um 1220 der jüdische Arzt Süßkind, der vermutlich identisch ist mit dem Minne-sänger Süßkind von Trimberg; auf der Abbildung zu erkennen am spitzen "Judenhut".
Grundlage legaler jüdischer Existenz in Unterfranken ist vom 15. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts der individuelle Schutzbrief, der für den Haushaltungsvorstand, seine Familie und gegebenenfalls seine Hausangestellten gilt. Solche Schutzbriefe waren nicht vererbbar. Für einen bischöflichen Schutzbrief war der Nachweis eines wesentlich höheren Vermögens Voraussetzung. Wer keinen Schutzbrief erwerben konnte, gehörte zu den “unvergleiteten Schnorr- und Betteljuden”. Um 1800 wurde die jüdische Bevölkerung auf fast 4 % der Gesamtbevölkerung geschätzt. Es gab etwa 540 Familien, die zur “hochstiftischen Landjudenschaft” gehörten. Zur ritterschaftlichen “Oberländer” oder “Grabfelder” Korporation gehörten 629 und zur ritterschaftlichen “Unterländer” Korporation 621 Familien. Die Grabfelder Juden hatten ihren eigenen Oberrabbiner in Burgpreppach. Die Unterländer unterstanden gemeinsam mit der Altwürzburger Landjudenschaft dem Oberrabbiner in Heidingsfeld. Viele Jahre lang war Heidingsfeld Mittelpunkt des jüdischen Lebens im heutigen Unterfranken. Die 1298 dort erstmals urkundlich erwähnte jüdische Gemeinde gewann im 17. Jahrhundert mit der Ausweisung der Juden aus Würzburg an Bedeutung. Auch als Heidingsfeld an das Hochstift fiel, durften die Juden dort bleiben. Die jüdischen und christlichen Einwohner der fränkischen Dörfer lebten religiös und kulturell in unterschiedlichen Traditionen. Die Sprache des jüdischen Alltags in Franken war das Jiddische unter Juden, der jiddisch eingefärbte fränkische Dialekt beim Verkehr mit der nichtjüdischen Welt.
Unter dem Einfluss der Aufklärung verbesserte sich die Lage der Juden in Unterfranken. In Würzburg erhielt 1803 die erste jüdische Familie seit 1642 gegen den Widerstand des Magistrats von der bayerischen Regierung das Recht zur Niederlassung. In den nächsten Jahrzehnten und gegen gelegentlichen, teils gewaltsamen, Widerstand (“Hep-Hep-Skandal”) emanzipierten sich auch die Würzburger Juden weitgehend im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben, bis 1871 ihre formelle rechtliche Gleichstellung erreicht war. Zur Jahrhundertwende wurde in Würzburg mit 2467 die bis dahin höchste Zahl jüdischer Einwohner erreicht. Bereits zwei Jahrzehnte zuvor hatte der jüdische Anteil an der Würzburger Stadtbevölkerung 4,5 % betragen. Im Weltkrieg 1914/18 standen ca. 400 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Würzburg im Felde, 40 von ihnen fielen oder starben später an ihren Verwundungen. Die jüdische Gemeinde in Heidingsfeld zählte zu Beginn des 19. Jahrhunderts 600 Mitglieder.
Gedenkschrein einer fast ausschließlich jüdischen, schlagenden Würzburger Studentenverbindung für die im 1. Weltkrieg gefallenen Bundesbrüder.
Die 1836 gebildete neue jüdische Gemeinde in Würzburg erlangt mit ihrem Oberrabbiner Seligmann Bär Bamberger Weltruf. Dessen entschiedenes Eintreten für die jüdische Orthodoxie auf einem Mittelweg in der damaligen Auseinander-setzung zwischen der Reform- und konservativen Juden fand breite Beachtung. Weiteres Ansehen gewann die Gemeinde durch die 1864 gegründete Israelitische Lehrerbildungs-anstalt. Diese entwickelte sich rasch zu einer der maßgebenden Institutionen in Europa. Die Absolventen der Würzburger “ILBA” waren in allen orthodoxen Gemeinden des Kontinents hoch angesehen und begehrt.
Mit dem Ende des 1. Weltkrieges und der Monarchien in Deutschland änderte sich auch für die Würzburger Juden das politische und gesellschaftliche Umfeld. Trotz sich bereits zu Beginn der zwanziger Jahre abzeichnender antisemitischer Agitationen konnten sich in Würzburg und anderen unterfränkischen Städten Juden bis zum Beginn der dreißiger Jahre als voll integriert betrachten. Im Handel und in der Industrie erlangten jüdische Firmen große Rollen. Der Anteil von Juden unter den beruflich Selbstständigen war überproportional, beispielsweise bei den in Würzburg niedergelassenen Ärzten und Rechtsanwälten.
Innerhalb der Gemeinde selbst nahmen die Spannungen zwischen den Orthodoxen und den religiös Liberalen ab. Das zeigt sich nicht zuletzt in der Rabbinerwahl von 1920. Mit 90 % aller Stimmen wurde damals Dr. Siegfried Hanover aus Hamburg, der als weltoffener Orthodoxer galt, gewählt. Rabbiner Hanover amtierte bis 1939, als er in die USA emigrierte. In den dreißiger Jahren wurden die traditionsreichen Nachbargemeinden Heidingsfeld und Höchberg mit Würzburg vereinigt. Nach der Auswanderung von Rabbiner Hanover amtierte als letzter Rabbiner bis zu seiner Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt im Jahr 1942 Rabbiner Magnus Weinberg.
Mit der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 begannen antijüdische Aktionen auch in Würzburg in größerem Stil. Besetzung von Gewerkschaftshäusern und Zeitungsredaktionen, Umbenennungen von Straßen, die „Gleichschaltung“ des Stadtrates und die Entfernung von Oberbürgermeister Hans Löffler, Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte und „wilde KZs“ auf der Festung Marienberg waren dafür die ersten Manifestationen. Ihnen folgten bald massive Boykottaktionen gegen Geschäfte, Praxen und Kanzleien jüdischer Bürger und danach die „Arisierung“ auch von Würzburger Unternehmen. Der vorläufig brutalste Höhepunkt dieser Entwicklung war das Novemberprogrom 1938. Die Inneneinrichtung der Synagoge in der Domerschulstraße wurde verwüstet. Die Heidingsfelder Synagoge durch Brandstiftung vernichtet. Durch Mißhandlungen und Selbstmord kamen im Zuge des Progroms mindestens vier Menschen ums Leben. 300 jüdische Männer aus Würzburg werden in Konzentrationslager eingeliefert. Juden wurden aus dem Wirtschaftsleben endgültig ausgeschlossen. Juden mußten auch in Würzburg den „Judenstern“ tragen. Ihnen werden Mietwohnungen gekündigt und sie wurden in sogenannten „Judenhäusern“ auf engstem Raum zusammengedrängt. Die Israelitische Lehrerbildungsanstalt wurde
geschlossen.
Bis zum Spätsommer 1941 war verschiedentlich auch Würzburger Juden gegen Hinnahme einer „Reichsfluchtsteuer“ die Auswanderung möglich. Im November des gleichen Jahres begannen die Deportationen von Juden aus Würzburg und Unterfranken, insgesamt sieben bis Juni 1943, in großem Stil. Nur wenige dieser 2063 verschleppten Menschen überlebten. Im Juni 1943 erklärte die Geheime Staatspolizei Unterfranken als „judenrein“. Ganz wenige sogenannte „Halbjuden“ und „Mischlinge“ blieben.